Interview mit Graw Böckler zu "Super 8 Jahre"

Warum dreht Ihr auf Super 8?

So können wir unsere Filme zum Teil noch selber finanzieren. Mit der Super 8 Kamera ist man beinahe so schnell und beweglich wie mit einer Videokamera und die Atmosphäre der Bilder ist emotionaler als das Videobild. Wir lieben es mit Video zu arbeiten und haben oft parallel mit Mini-DV und Super 8 gedreht. Im Schnitt fiel das Videomaterial aber meistens unter den Tisch, weil Super 8 schöner ist - und da haben wir die Videokamera öfter zu Hause gelassen.

Geht es Euch auch um den Retro Look? Das Super 8 Bild erinnert an die Siebziger Jahre und schafft einen sentimentalen Bezug zu den Amateurfilmen der 50er bis 70er Jahre.

Nein darum geht es uns überhaupt nicht. Und dieser Look entsteht nur, weil Kodak die Super 8 Filme seit den 70er Jahren nicht mehr weiterentwickelt hat. Super 8 ist für den Filmer - ob Profi oder Amateur - ein fantastisches Medium. Wir hoffen, daß die Marketingabteilungen der entsprechenden Firmen dieses Potential erkennen und das Produkt wiederbeleben. Aber es sieht im Moment nicht danach aus. Gerade die immer besseren Möglichkeiten digitaler Nachbearbeitung erhöhen den Wert des analogen Filmbildes, das immer mit der neuesten digitalen Technik aufbereitet werden kann. Die Schnittstelle Analog-Digital hat viel mehr Power als ein rein digital produziertes Produkt, daß schon morgen veraltet ist.

In "Making Of" sieht man Photos mit Fernsehern in die eure Videos reinmontiert sind. Was sind das für Photos und was ist daran "Making of"?

Wir drehen nicht nur auf Super 8, wir sind auch seit acht Jahren ein Paar. Für das "Making Of" haben wir aus dieser Zeit Fotos rausgesucht auf denen ein Fernseher abgebildet ist und dort die Filme hineinmontiert, die in dieser Zeit entstanden sind. Das "Making of" handelt normalerweise vom Produktionsalltag und diese privaten Fotos zeigen den Konsumptionsalltag von super 8 Jahren Fernsehen gucken.

"Mein Vorschlag: Friesenbad", ein Video das für den Bau eines Freibades wirbt, fällt etwas aus der Sammlung von Musikvideos raus. Was hat es mit diesem Projekt auf sich?

"Mein Vorschlag: Friesenbad" ist mit einem Musiktrack vertont. Der Film ist nicht als Musikvideo entstanden, könnte aber ohne weiteres eins sein. Köln ist eng und der Abbruch eines ganzen Blocks am Friesenplatz erzeugte plötzlich eine Weite in der Innenstadt, die faszinierend war. Die Menschen blieben stehen und blickten in die Weite des Baulochs. So entstand die Idee, ein Alternative zum geplanten Büroturm des Gerlingkonzerns zu kreieren - eine Wasserfläche inmitten der Stadt - ein Freibad. Davon handelt der Film, der lustigerweise anläßlich der Norman Foster Retrospektive genau im Inneren desjenigen Bürogebäudes präsentiert wurde, den er so vehement zu verhindert sucht. Im übrigen gibt die wirtschaftliche Entwicklung - nicht nur des Gerlingkonzerns - und die technologische Entwicklung sowieso (Stichwort: Kommunikation ist mobil) der Grundthese des Films, daß nicht noch mehr Bürogebäude gebaut werden sollten, recht.

Sowohl in "Mein Vorschlag: Friesenbad" als auch in "So weit wie noch nie" spielen Schwimmbäder eine Rolle. Geht ihr gern schwimmen?

Ja, aber das Thema "Schwimmbad" hat auch einen visuellen Ansatz. Leute ziehen sich ungern vor der Kamera aus, zumindest die Leute, die wir kennen. Andererseits ist es irgendwie idiotisch Menschen mit Kleidung zu filmen. Skulpturen sind ja auch meistens nackt. Im Schwimmbad und am Strand ist Nacktheit - zumindest partiell - normal. Und diese Nacktheit als Normalität im Zentrum einer Stadt wie Köln würde bestimmt eine phantastische Atmosphäre schaffen. Deshalb fordern wir auch, das dort ein Freibad gebaut wird. Außerdem ist "So weit wie noch nie" eine Zweitverwertung des Materials, das wir für den zweiten Teil von "Mein Vorschlag: Friesenbad" mit dem Titel "3 Jahre später" gedreht haben - das Thema "Schwimmbad" haben wir also im Grunde nur einmal aufgegriffen.

Während der instrumentalen Passage von "Why" sieht man Frauen, die singen, aber man kann sie nicht hören. Leider kann ich nicht lippenlesen. Was singen sie?

Die Frauen singen nicht, sie sprechen zu uns und antworten auf die Frage in den Lyrics "Why do I go until the end of the world, when the only thing I want to do is to be with you". Was sie erzählen - wir haben versprochen es nicht zu verraten.

Mehrere eurer Videos sind zu Musik mit Gesang, man sieht aber nirgends eine(n) SängerIn. Warum?

Musiker beim Musikmachen zu filmen hat als visuelle Umsetzung meistens nicht viel mit dem Gefühl oder der Inhaltlichkeit eines Musikstückes zu tun. Meistens haben wir die Videos zuerst gemacht und uns dann die passende Musik gesucht - die zum Spirit des Films passt. Und auch bei den Auftragsproduktionen haben wir mit Footage gearbeitet, daß in einem anderen Zusammenhang entstanden ist und nur wenig Material nachgedreht.

Ihr verwendet beinahe ausschließlich Fast Motion, d.h. die Zeit wird beschleunigt.

Die meisten Aufnahmen sind dokumentarisch und das Unterdrehen, bei dem viel Zeit in kurzer Zeit dargestellt wird, schafft eine Systematisierung der Bewegung. Alltägliche Bewegunsabläufe erhalten über die Geschwindigkeit Dramatik und Bedeutung.

Gibt es in "This time last year" einen Zusammenhang zwischen den Flugzeugen über Lissabon und den grillenden Jugendlichen ?

Jugendliche vergnügen sich beim sommerlichen Grillen auf der Wiese vor dem Aachener Weiher. Auf einer anderen Wiese weiden die Tiere. Flugeuge schweben im Landeanflug über der Großstadt. Die Jugendlichen grillen die Tiere, die so friedlich auf der Weide grasen und die Flugzeuge rasieren haarscharf über Wohn- und Geschäftshäuser. Es sind romantische Bilder mit düsterer Konnotation, ähnlich einem Song der von einer wunderbaren, aber erloschenen Liebe handelt - wie "This time last year" von Mantler.

Habt ihr für "Regensburg RMX" eine Überwachungskamera in der Damentoilette installiert?

Wir waren Silvester in Barcelona im Nizzaclub. Ursula ist für eine Stunde auf der Damentoilette verschwunden, wo es richtig abging. Der Super 8 Film den wir dabei hatten ist nicht so lichtstark. Deshalb waren die Aufnahmen unterbelichtet und wir mußten sie hochziehen, damit man überhaupt etwas sieht. Deshalb ist das Video so pixelig. Auf der Herrentoilette war es dann gar nicht glamourös. Deshalb hat Georg dort auch nicht gefilmt.

In euren Videos spielen hauptsächlich Frauen, mögt ihr keine Männer?

Wir interessieren uns visuell mehr für Frauen. Das ändert sich aber. Es gibt immer mehr interessante Männer. Da müssen wir wohl nochmal ran.

Der Track "Because" von Ulf Lohmann erscheint mir wie die ewige Wiederholung eines einzigen Loops. Analog werden im Video nächtliche Alltagssituationen aus Korea geloopt. Wie seid ihr darauf gekommen?

"Because" ist ganz unabhängig von Ulf Lohmanns Track entstanden. Auf der Suche nach einer passenden Musik sind wir auf Ulfs Musik gestossen, die ganz toll zu den Bildern passte. Und der war begeistert ein Video zu seinem Track zu bekommen.

Ursula spielt "Ursula". Bist Du so fleißig?

Nur im Urlaub - zumindest wenn es nach Brasilien zu meinem Bruder auf das Flußhaus geht. Dort gibt es soviel zu tun. Erst in Brasilien haben wir uns als Deutsche gefühlt - fleißig. Zur Belohnung haben wir dann eine Tour ans "Ende der Welt" gemacht - nach Totoia - in die Dünenlandschaft im Nordosten Brasiliens.

Auf eurer DVD finden sich Tracks die auf den kölner Labels Sonig, Tomlab und Kompakt veröffentlicht sind. Gibt es zwischen diesen Labels eine Zusammenarbeit?

Soweit wir mitbekommen haben eher nicht. Als es mit der kölner Elektronikszene losging, anfang der Neunziger Jahre, gab es wohl noch eine enge Verbindung zwischen der elektronischen Dance Szene, die heute von Kompakt zusammengefasst wird und der experimentellen elektronischen Musik, die A-Musik respektive Sonig repräsentiert. Das hat sich dann auseinanderentwickelt. Tomlab ist eine relativ neue Entwicklung, nicht so kölnspezifisch. Als Videomacher stehen wir etwas abseits, aber - hoffentlich - zu allen Seiten kontaktfähig.

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